Die Koalition SPD - DIE LINKE fordert die Regierung auf, die Aktivitäten im Fritz-Reuter-Gedenkjahr in Stavenhagen und im ganzen Land finanziell zu fördern und mit ihren Ressourcen in der Öffentlichkeitsarbeit durch das Landesmarketing und das Tourismusmarketing zu unterstützen.

Hier finden Sie ein Video meiner Rede und den Text.

Bitte klicken Sie auf den Link, um dieses Video von YouTube anzuzeigen. Mit Klick auf diesen Link werden Daten an YouTube übertragen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Meine Rede zu Fritz Reuters Gedenkjahr 2024: zum Download als PDF.

Pressemeldung zur Rede zu Fritz Reuter 2024: zum Download als PDF.

Der Antrag "Würdigung des Wirkens von Fritz Reuter": in der Parlamentsdatenbank des Landtags.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Fritz Reuter begegnet man in Mecklenburg-Vorpommern auf Schritt und Tritt: Fritz-Reuter-Schule, Fritz Reuter Straße, Fritz-Reuter-Bühne, Fritz-Reuter-Eiche, kürzlich in Warnemünde wiederentdeckt, Reutereiche, Fritz-Reuter-Torte (mit Baumkuchen), Fritz-Reuter-Stein, Reuterfestspiele Stavenhagen, Fritz-Reuter-Café, Fritz-Reuter-Zirkel, Reuterdenkmal.

Wie in Thüringen so mancher Gastwirt als Gag ein Schild hängt: Goethe war hier – wobei man beim Näherkommen ein kleines „nicht“ erkennt – so könnte man das wohl auch mit Fritz Reuter in MV tun.

Und doch: Wer mit Fritz Reuter oder plattdeutsch nichts zu tun hat. Der denkt bei Reuter, Reuter… War das nicht dieser Couplé-Sänger aus Berlin? Nein, der hieß Otto Reuter, eigentlich Pfützenreuter, Varieté-Künstler in der Zeit der Weimarer Republik. Oder dieser Berliner Bürgermeister? Nein, das ist der Sozialdemokrat Ernst Reuter, OB im Berlin der Nachkriegszeit.

Also Fritz Reuter, der seinerzeit meistgelesene Autor und engagiert in der bürgerlichen Demokratiebewegung. Des Vormärz und der 1848er-Bewegung in Europa. Eigentlich Heinrich Ludwig Christian Friedrich Reuter geboren am 7. November 1810 in Stavenhagen, also vor 213 Jahren, gestorben am 12. Juli 1874 in Eisenach vor 149 Jahren.

Dazu kommen dann „Hotspots“, wo er oder sein Wirken besonders erkennbar sind: Stavenhagen als Geburtsort, als Student in Rostock (heute dort der Ortsteil Reutershagen), Dömitz (wo er in Festungshaft war), Grabow mit den vielen Skulpturen mit Reuter, Altentreptow (wo Reuter Preußischer Staatsbürger wurde und sich als Stadtvertreter engagierte), Güstrow auf der Deputiertenversammlung der Reformvereine 1848, im Schweriner Gasthof Zur guten Quelle, mit heutiger Plakette: „Hier wohnte Fritz Reuter während seines Aufenthalts in Schwerin als Deputierter der Stadt Stavenhagen zum Außerordentlichen Landtag vom 26. April bis 17. Mai 1848“, Neubrandenburg als Ort seiner größten Produktivität mit Hinstorffverlag (Fritz-Reuter-Gesellschaft, Regionalmuseum, Reuter-Denkmal, Reuterbibliothek, Mudder-Schulten-Brunnen. Reuter-Café), i im Stolpe an der Peene verfasst er die Urgeschicht von Meckelnborg, letzte Lebensjahre am Fuße der Wartburg in eigener Villa (heute Museum).

Fritz Reuters Literatur begegnet man nicht so leicht. So zum Beispiel: Fritz Reuter als Heimwehlektüre des Demminer Genossen Roland Thoms als Flüchtling aus der SBZ in den 1950ern und Begegnung in Chicago mit dem Reuterdenkmal: Literatur als Heimat in der Ferne.

Meine eigene Begegnung mit Fritz Reuter geschah in zwei Stufen: Bei einem Besuch in Stavenhagen kam mir die übergroße Statue und das ordentliche Museum etwas größenwahnsinnig in dieser Landstadt vor. Das war meine Außensicht: nagut, was es alles so gibt. Als ich mich im Heimatverband mit Niederdeutsch beschäftigt habe, gab es hier oft Lesungen von kurzen Geschichten für ältere Leute, vielleicht noch ein paar alte Volkslieder, ein bisschen Plattfööt: Disko upn Dörp; dazu Witze, oder eher Witzchen unter der Gürtellinie…
Und dann die Begegnung mit Fritz Reuters: Ut miene Stromtied. Das gab einen Einblick in die ländliche Welt Mitte des 19. Jahrhunderts, wie dieses Gutshäusersystem mit ehemals Leibeigenschaft und dann schon bitterarmen Landarbeitern so funktionierte. Und das in einer Literatursprache, die sich nicht so leicht weghörte. Das weckte in mir Interesse und Respekt für Plattdeutsch.

Und das ist es ja auch, wofür Fritz Reuter besonders geehrter wird: Dass er die Alltagssprache der ländlichen Bevölkerung zu einer Literatursprache formte. Gemeinsam mit seinem Verleger Carl Hinstorff; und das so erfolgreich, dass der Hinstorff-Verlag bis heute der größte Verlag mit regionalkundlicher und niederdeutscher Literatur im Land ist.

Zwei literarische Beispiel kann man auf der Webseite des Heimatverbandes anhören: Hanne Nüte un sien Pudel und "Kein Hüsung".

Wenig Bekannt ist über sein politisches Engagement.

Es gab in seiner Jugend keine Institutionen, in denen sich die Bildungsbürger mit liberalen Ansichten hätten organisieren können, auch keine politische Mitsprachemöglichkeit, keine Parteien, keine Vereine, keine gewählten Parlamente. In den Universitäten trafen sich die jungen Studenten in Burschenschaften: Wein, Weib und Gesang waren da das Thema – im 20. Jhd. hätte man wohl Sex, Drugs and RocknRoll gesagt. Als Student nahm Reuter bereits als Redner 1832 am Hambacher Fest teil. Das größte Treffen von Demokraten im Vormärz. Hier wurden bereits Kokarden in den Farben auch unserer Demokratie heute verwendet: Schwarz-Rot-Gold. Sie standen vor allem für Einigkeit, Recht, Freiheit, Bürgerrechte.

Für die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen wurde er zum Tode bzw. Festungshaft verurteilt. Die Herrscher hatten Angst um ihre Macht.

Reuter selbst spielte das Engagement dieser Zeit herunter: Wir haben ja bloß geredet. Das auch, weil er dafür zum Tode bzw. zu Festungshaft verurteilt wurde. Das hat ihm psychisch und physisch zugesetzt.

„Un wat hadden wi denn dahn? Nicks, gor nicks. Blot in uns’ Versammlungen un unner vir Ogen hadden wi von Ding’ redt, de jetzt up apne Strat fri utschrigt warden, von Dütschlands Friheit und Einigkeit. Äwer taum Handeln wiren wi tau swack, taum Schriwen tau dumm, dorum folgten wi de olle dütsche Mod’: wi redten blot doräwer.“

Er war dann in der Märzrevolution Mitglied der Güstrower Deputiertenversammlung. Dabei wurden Vorschläge des Rostocker Reformvereins verabschiedet. Einige Beschlüsse, die für uns heute selbstverständlich sind, eine Auswahl:

  • Eine reine Repräsentativverfassung mit Vertretung des ganzen Volkes ohne eine ständische Gliederung in einer Kammer, sowie die volle Teilnahme der Kammer an der Gesetzgebung, Steuerbewilligung, Staatshaushalt, Zivilliste und weiterhin die Auflösung der Stände
  • Aufhebung aller politischen Sonderrechte
  • Gleichberechtigung aller Religionen und Konfessionen
  • Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung
  • Unbedingte Pressefreiheit ohne Kaution- und Konzessionszwang und ohne Pressegesetz
  • Unbeschränktes Vereinsrecht
  • Allgemeine Städteordnung und ländliche Gemeindeordnung auf Grundlage von Unabhängigkeit
  • Verbesserung des Volksschulwesens und Lehrfreiheit

Im April und Mai 1848 war Reuter in Schwerin – in der Guten Quelle, um die progressiven Forderungen der Reformvereine einzubringen. Denn damals gab es genauso Monarchisten, die lediglich eine konstitutionelle Monarchie forderten.

Auch hier wurden keine staatlichen Institutionen geschaffen als Träger der neuen Demokratie.

Spätestens beim Scheitern des Paulskirchenparlaments scheiterte das Parlament hier – übrigens für beide Mecklenburg mit.

Seine liberalen Ansichten flossen in seine Literatur ein. Elke-Annette Schmidt hat das ausführlich beschrieben.

Viele Vorhaben des Fritz-Reuter-Gedenkjahres und des Jubiläums der Stadt Stavenhagen als Reuterstadt muss ich hier nicht wiederholen.

Ich selbst wünsche mir schon lange einen schmissigen Roman oder eine jugendgemäße Einführung, die mehr über Fritz Reuter vermittelt. Sein Leben in seiner Zeit ergäbe sicherlich eine spannende Graphic Novel. Über das Gedenkjahr zu Fritz Reuter können wir auch das Jubiläum von 175 Jahren bürgerliche Revolution ins nächste Jahr verlängern. Wichtig scheint mir auch, die internationalen Kontakte in Richtung der beiden Amerikas und Japan zu beleben. Es gibt im Land viele Bürgervereine, Engagierte Laien, die Experten der Fritz-Reuter-Gesellschaft, die Museen die sich im Förderverein der Reutermuseen vernetzen, der Norddeutsche Tag in Dömitz, den Heimatverband mit seinen Mitgliedern, die Profilschulen Niederdeutsch, das Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik, die Fritz-Reuter-Bühne und so manche versteckten hidden cultural champions, die Fritz Reuter im nächsten Jahr thematisieren können. Die Vorhaben sind bereits geplant. Selbst ein Reuterabend in der Landesvertretung beim Bund in Berlin. Engagement ist vorhanden. Da und dort braucht es noch Mittel aus der Kulturförderung, für die Museen vielleicht auch etwas baulichen Rückenwind. Ein Konzept für diese engagierten Akteure vom Land wäre wohl eher eine Entmündigung dessen, was bereits vorbereitet wird.

Wir fordern mit diesem Antrag die Landesregierung auf, die Vorhaben in Stavenhagen aber auch darüber hinaus finanziell zu unterstützen und medial zu begleiten. Insbesondere und explizit sollen sich auch das Landesmarketing und der Landestourismus einbringen. Hier wird auch ihre Expertise zur guten Vermarktung der Reuterstätten gebraucht. Das kann nicht den ehrenamtlichen Akteuren und kleinen kommunalen Museen allein überlassen werden wie vor wenigen Jahren beim Schliemann-Jubiläum. Hier kann das Land mit seinen Bordmitteln auch unkompliziert helfen.