Inzwischen leben in Loitz 120 Geflüchtete in einer Notunterkunft. Die Bedingungen haben sich für sie nicht verbessert. Auch wenn in Loitz die Bürgerinnen und Bürger beruhigter sind als vor 8 Wochen, stehen die Zuständigen weiter in der Verantwortung, für Integration und ein gutes Miteinander zu sorgen und die Lebensbedingungen der Geflüchteten zu verbessern.

Wenn man die Angst größer sein lässt als Herz und Verstand

Zur Situation der Geflüchteten in Loitz und der Verantwortung von allen Einwohnerinnen und Einwohnern

Pressemeldung, 23.3.2023, Dr. Anna-Konstanze Schröder

Am Wochenende hatte die Landtagsabgeordnete Dr. Anna-Konstanze Schröder Gelegenheit, mit den Geflüchteten aus der Notunterkunft in Loitz zu sprechen. Seit ihrem Erstgespräch vor ca. 8 Wochen haben sich - trotz Besuchs des Landrates vor Ort - die Einrichtungen in der Notunterkunft für die Geflüchteten nicht verbessert. Da dort inzwischen 120 statt damals 50 Männer leben, hat sich die Situation insgesamt sogar verschlechtert. Ein Bericht zum Gespräch am Samstag ist im Anhang beigefügt. Sie fordert die Verantwortlichen in Kreis und Kommune zum Handeln vor Ort auf:

„Seit fast drei Monaten leben Geflüchtete aus Syrien in einer Notunterkunft in Loitz unter Bedingungen, für die wir uns schämen müssen: Für inzwischen 120 Männer stehen gerade einmal 4 Toiletten, 4 Duschen und eine Waschmaschine zur Verfügung. Dazu kommt die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, die sich nach dem Wechsel des Anbieters noch verschlechtert hat. Insbesondere sind Fehlinformationen für die Geflüchteten ein Problem: Zum 13. März wurde ihnen der Umzug versprochen. Sie wurden gar aufgefordert, Termine bei Behörden und Ärzten abzusagen. Der Umzug fällt nun erst einmal aus, ohne Aussicht auf einen neuen Termin. Dass die Schutzsuchenden verunsichert und aufgebracht sind und von Hungerstreik sprechen, ist nur verständlich.

Am Ende will es niemand gewesen sein: Für die Unterbringung sind Kreis und Kommunen zuständig. Denn die Menschen – ob zugezogen oder nicht – leben vor Ort miteinander. Die kommunale Ebene kommuniziert Überforderung. Meines Erachtens ist es Unwille und vielleicht auch Unfähigkeit, der CDU-geführten Landkreise, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Denn wenn es um Digitalisierung oder Naturschutz geht, wird nicht so laut über Personalprobleme gejammert. Im Bereich der Wirtschaftsförderung werden regelmäßig neue Stellen geschaffen. Letztlich schieben die Landräte die Verantwortung aufs Land. Das koordiniert und finanziert als eines von 3 Bundesländern alle Ausgaben. In der Loitzer Gemengelage kommt dazu ein freier Träger, dessen Personal im Fall von Loitz zum Beispiel keine Fremdsprache beherrscht. Besuche in der Unterkunft sind nicht erlaubt, Hilfsangebote nur sehr begrenzt erwünscht. Die Bürgerinnen und Bürgern in Loitz lavieren irgendwo zwischen ignorieren, Neugierde, Angst und Feindseligkeit. Selbst in der Stadtvertretung meint man, die Bürgerinnen und Bürger vor einer gefühlten Gefahr schützen zu müssen, anstatt gegen die Ängste der Bürger freundliche Begegnung zu organisieren und sachliche Argumente zu finden. Aber die Menschen, die vor Krieg, Islamismus und Hunger über tausende Kilometer zu Fuß geflohen sind, die geraten völlig aus dem Blick. Nun protestieren sie und einige verweigern das Essen.

Seit vergangenem Herbst war den Landräten bekannt, dass wieder mehr Geflüchtete nach Europa kommen. Denn der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf andere Konfliktregionen in der Welt. Auf die zusätzliche Zahl der Geflüchteten vorbereitet haben sie sich nicht. Vielmehr befeuern sie mit ihrer Art, mit der Situation umzugehen, die Ängste und Feindseligkeit der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Fremden. In Loitz hat die Kreisverwaltung mit einem „Bürgergespräch“ den Rechtsextremen der Region eine Bühne gegeben, ohne wirklich dagegen zu halten. Und CDU-Landrat Sack schweigt oder schiebt die Verantwortung von sich. Dass wenige Wochen nach den Protesten in Upahl eine angekündigte Containersiedlung in Greifswald ähnliche Akteure auf den Plan ruft, wirkt kalkuliert. Dabei ist die Unterbringung von Schutzsuchenden keine freiwillige Zusatzaufgabe der Kommune, sondern eine Pflicht durch internationale Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention und durch deutsche Gesetze.

Auch der Umgang der Loitzer Stadtvertreter mit CDU-Mehrheit, allen voran der Loitzer Bürgermeisterin Christin Witt, ist zum Fremdschämen. Anstatt ein Unterstützernetzwerk für die Geflüchteten vor Ort mit Engagierten Loitzerinnen und Loitzern und von anderen Orten zu organisieren, oder doch zumindest Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, berät man über längere Beleuchtungszeiten der Straßenlampen zu Zeiten, an denen in Loitz kaum Menschen auf der Straße unterwegs sind.

Natürlich verstehe ich, dass Veränderungen auch Ängste schüren. Über 100 Menschen aus einer außereuropäischen Kultur – das gab es in Loitz wahrscheinlich noch nie. Das hat sich vor Ort niemand so ausgesucht. Dass in Zukunft wahrscheinlich mehr Menschen aus fremden Kulturen in unsere Region kommen, ist eine Tatsache. Anstatt sich dem Wandel zu verweigern, halte ich es für nötig, sich den eigenen Unsicherheiten zu stellen und das Beste draus zu machen. Ein erster Schritt könnte sein, den Fremden freundlich zu begegnen und ihnen geduldig zu zeigen, wie das Leben in Deutschland funktioniert und mit ihnen die deutsche Sprache zu üben, um sich besser zu verständigen. Anstatt die Verantwortung auf andere zu schieben, muss sich jeder überlegen, wie er oder sie persönlich und in seiner Funktion die Situation für alle erleichtern kann. Dazu fordere ich die Verantwortlichen in Stadt, Amt und Kreis auf und dazu ermutige ich uns Bürgerinnen und Bürger!“

Bericht: Hungerstreik in Loitz von Heinz Wittmer

Am Samstag, 18.3.2023 besuchten Anna-Konstanze Schröder (SPD), Dirk Bruhn (Linke), Heinz Wittmer vom Verein Demminer Bürger und eine Sprachmittlerin die Geflüchteten, die in der alten Schule in Loitz untergebracht sind. Es gab die Information, dass die Geflüchteten seit Freitag im Hungerstreik sind wegen der widrigen Bedingungen in der Notunterkunft und wegen Versprechen vom Landkreis, die nicht gehalten werden. Derzeit sind ca. die Hälfte der 125 Geflüchteten (nur syrische Männer) im Hungerstreik. Die andere Hälfte beschwert sich auch über die Bedingungen, isst aber derzeit aus unterschiedlichen Gründen noch.

Hauptanlass ist das nicht einhalten des Versprechens, dass sie jetzt schon nach Greifswald umziehen können, was sie zufällig durch den Besuch eines Geflüchteten bei der Ausländerbehörde erfahren haben. Der Umzug wird vermutlich noch 2 Monate dauern, aber niemand kann dass derzeit genau sagen. Die Geflüchteten wollen Integration, Deutschkurse, Arbeit und das Recht, Familienangehörige in Deutschland zu besuchen. Die sanitären Anlagen in der Unterkunft sind bei weitem nicht ausreichend. Für 125 Männer gibt es in Containern insgesamt vier Toiletten und vier Duschen. Und nur eine Waschmaschine für alle. Jede Woche kommen weitere geflüchtete Männer dazu, aber die benutzbare Infrastruktur wird weniger. Seit einer Weile ist die Turnhalle gesperrt. Es gibt derzeit keine Räume zum Beten oder um ein wenig Ruhe zu finden. Sie sollen sich aber meist im Haus aufhalten. Die Feldbetten in den Mehrbettzimmern sind sehr hart. Das Internet reicht nicht mehr für alle, die Kontakt zu ihren Angehörigen suchen und wird als Bestrafung für Meinungsverschiedenheiten zeitweise abgeschaltet. Vor Ort gibt es keine Sozialarbeiter*innen und niemanden, der arabisch spricht. Seit zwei bis drei Wochen wurde die Essensversorgung nicht mehr vor Ort organisiert sondern von außen durch andere geliefert. Das Essen ist dadurch noch schlechter geworden, für einige nicht mehr akzeptabel und es war/ist nie ausreichend, um satt zu werden. Organisiert wird die derzeitige Essensversorgung durch den Integrationsbeauftragten des Landkreises. Dieser hatte auch immer wieder falsche Aussagen in mehreren Bereichen gemacht und ihnen geraten, wegen dem Umzug die Arzttermine in Loitz abzusagen. Er will, dass alle Geflüchteten ihm seine Anliegen schildern, aber er hat jetzt bei den syrischen Männern gar kein Vertrauen mehr. Die Geflüchteten sagen, dass er lügt. Daneben wird das Verhalten der Landkreisverwaltung und der Leitung (DRK) der Unterkunft an mehreren Punkten kritisiert.

Die allgemeine Stimmung in der Unterkunft wird bei den Geflüchteten immer schlechter. Jetzt sind viele im Hungerstreik, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, auf die Probleme aufmerksam zu machen.

Hubbrücke ist geöffnet, keine Durchfahrt für Autos, Peenebrücke in Loitz