Politik ist nie neutral

Politische Meinungen werden durch persönliche Wertvorstellungen bestimmt. Darum kann Politik niemals neutral sein. 

Jeder Mensch hat eine eigene Vorstellung davon, wie eine gute Gesellschaft aussehen soll. Manche können das in Worte fassen, für andere ist es erstmal ein Bauchgefühl.

In den politischen Parteien und Bürgerinitiativen schließen sich Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen zusammen und entwickeln gemeinsame Ziele für die Gesellschaft.

Im politischen Streit in den Medien, in den Gemeindevertretungen und den Parlamenten erklären sie ihre Positionen und versuchen, andere davon zu überzeugen.

Es gibt im politischen Streit keine Neutralität. Wichtig ist, dass es eine faire Streitkultur gibt, in der alle Meinungen gleichberechtigt sind. Für den politischen Streit gibt es aber auch Regeln. Drum müssen sich die vertretenen Positionen sich an unsere freiheitlich demokratische Grundordnung halten. 

Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist im Grundgesetz und den Landesverfassungen festgehalten. Darin sind die Regeln, die in unserer Gesellschaft auch für den politischen Streit gelten. 

Die Grundsätze von Menschenwürde und Gleichberechtigung sind das, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Wer Menschen zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft oder einer Behinderung abwertet und ausschließen will, stellt sich damit selbst ins Aus.

Wer sich nicht an die freiheitlich demokratische Grundordnung hält, kann sich nicht auf „Neutralität“ berufen. Darum ist es wichtig, dass in unseren Schulen die Regeln für den politischen Austausch in unserer Gesellschaft und damit auch die freiheitlich demokratische Grundordnung als Grundwert unserer Gesellschaft gelten.

Der „Beutelsbacher Konsens“ enthält drei Grundprinzipien als Leitplanken der politischen Bildung:

  • Überwältigungsverbot
  • Kontroversitätsgebot
  • Orientierung am Interesse der Schüler*innen

Überwältigungsverbot heißt, dass es verboten ist, den Lernenden bei der Politischen Bildung bereits eine Meinung vorzugeben. Sie dürfen nicht daran gehindert werden, sich selbständig eine Meinung zu bilden. Das Gegenteil wäre Indoktrination.

Kontroversitätsgebot heißt, dass Streitpunkte in Wissenschaft und Gesellschaft auch so im Unterricht vorkommen müssen. Das kann auch bedeuten, dass die Lehrkraft besonders solche Positionen herausarbeitet, die den Haltungen der Lernenden entgegen stehen. So bietet politische Bildung die Möglichkeit, die eigene Meinung unabhängig vom Alltagsumfeld zu begründen und zu beurteilen.

Orientierung an den Interessen der Schüler*innen heißt, dass die Lernenden sowohl die politischen Positionen als auch die eigene Interessenlage analysieren kann. Sie lernen, mit welchen Mitteln sie die politische Lage im Sinne ihrer Interessen beeinflussen können. Hier geht es also darum, nicht nur eine Meinung zu entwickeln sondern auch Kompetenzen zu lernen, sie in der Gesellschaft umzusetzen.

Beutelsbacher Konsenz ist kein Neutralitätsgebot. Er ist an das Grundgesetz und die Landesverfassung und auch an das Schulgesetz gebunden. Darin ist die freiheitlich demokratische Grundordnung unserer Gesellschaft festgeschrieben. Extremistische oder menschenverachtende politische Haltungen sind darum vom Kontroversitätsgebot ausgeschlossen. Vielmehr ist es Aufgabe von politischer Bildung, zu zeigen, wo politische Haltungen den Boden unseres Grundgesetzes verlassen. Schulen haben laut dem Schulgesetz M-V einen Demokratieauftrag, der in der politischen Bildung vermittelt wird.

Schule, Politiker und Politik

Abgeordnete aus dürfen im Rahmen ihres Mandats jederzeit Informationsbesuche an Schulen durchführen. Damit sind nicht Gespräche mit Schülerinnen oder die Einbindung in den Unterricht verbunden.

Darüber hinaus können Abgeordnete in den Unterricht eingeladen werden, um ihren Arbeitsalltag und ihre Aufgaben zu thematisieren. Sie kommen dann als Mandatsträger und nicht als Parteivertreter. 

Über die Einladung eines Abgeordneten entscheidet alle die pädagogische Lehrkraft, wenn Sie das für sinnvoll erachtet. Es gibt keinen Anspruch von Abgeordneten eingeladen oder auch mit eingeladen zu werden. Dennoch muss das Kontroversitätsgebot des Beutelsbacher Konsens gewahrt bleiben.

Schule ist immer auch ein Ort der politischen Bildung. „Politik“ kann man aus dem Leben der Schülerinnen und Schüler gar nicht ausklammern. Sie gehört zu ihrem Erfahrungsraum. Politische Bildung ist ein Querschnittsthema in allen Fächern.

Lehrkräfte dürfen dabei ihre eigene politische Position äußern, sofern sie das Kontroversitätsgebot und das Überwältigungsgebot des Beutelsbacher Konsens nicht verletzen und freiheitlich demokratische Positionen vertreten. Schüler können eine Positionierung einfordern, so wie sie ja auch von ihnen gefordert wird.

Auch Schüler*innen vertreten Meinungen, die nicht zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Landes passen. Darauf dürfen und müssen Lehrkräfte sie ausdrücklich hinweisen. Auch dies ist Teil der politischen Bildung. 

Faktencheck "Neutralitätsgebot"

Im Netz kursieren auch Behauptungen, die von der Schule Neutralität und Enthaltung im politischen Wertestreit fordern, darum hier nochmal ein Faktencheck.

Behauptet wird:

  • "Lehrer dürfen ihre Schüler nicht beeinflussen."

    Dazu ist zu sagen: Das ist teilweise falsch: Richtiger müsste es heißen, dass Lehrerkräfte die Lernenden nicht überwältigen dürfen, also ihnen nicht einseitig nur eine Meinung als die richtige darstellen.
     

  • "Lehrer dürfen Kleidung mit politischen Botschaften nicht tragen."

    Dazu ist zu sagen: Das ist überwiegend falsch und betrifft nur Kleidung mit Inhalten, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Solange die Lehrkräften kritischen Aussagen über die politischen Botschaften ihrer Kleidung offen gegenüber stehen und sie zulassen, ist dagegen wohl nichts einzuwenden. Lehrkräfte dürfen ihre Meinung offen kommunizieren.
     

  • "Wahlaufrufe für Parteien und abwertende Aussagen über Parteien sind nicht zulässig."

    Dazu ist zu sagen: Auch hier gilt das Überwältigungsverbot. Es müssen immer auch andere Positionen zugelassen und gleichberechtigt diskutiert werden. Dann dürfen auch kritische Aussagen über Parteien geäußert werden. 
     

  • "Printmedien mit Aussagen über Parteien, die einseitig oder unsachlich sind, dürfen nicht in der Schule vorkommen."

    Dazu ist zu sagen: Schulen müssen durchaus parteipolitisch neutral sein und dürfen keine Parteienwerbung bzw. -antiwerbung zulassen. Aber natürlich darf im Unterricht über Printmedien gesprochen werden, die kritische Aussagen über Parteien enthalten. Es gilt das Kontroversitätsgebot.

In der geforderten Schärfe kann ein "Neutralitätsgebot" in Schulen nicht durchgehalten werden. Denn Schulen sind Teil der Gesellschaft und der Ort, an dem Kontroversen in der Gesellschaft mit den Schülerinnen und Schülern gelebt und der Umgang damit eingeübt wird. Bildungsziel ist es, dass sich Schülerinnen und Schüler eine eigene, begründete Meinung bilden und diese auch vertreten. Es ist die Verantwortung der Lehrkräfte, wie sie das Überwältigungsverbot und das Kontorversitätsgebot des Beutelsbacher Konsens in ihrem pädagogischen Angebot ausgestalten.

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