Im Landtag sprach ich über Denkmäler für Krieg und Frieden. Sie werden von Heimatengagierten errichtet, verändert und gepflegt. Die demokratischen Heimatverbände und der Volksbund Kriegsgräberfürsorge unterstützen sie dabei.
Die AfD fordert ein Förderprogramm und eine Beratungsstelle - das ist unnötig. Hier hilft sich die Bürgergesellschaft schon selbst.

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Das Manuskript meiner Rede können Sie hier herunterladen. Es gilt das gesprochene Wort.

Weitere Informationen zum Kulturdenkmal des Jahres "Zeichen von Krieg und Frieden in der Kulturlandschaft" beim Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern und beim Bund Heimat und Umwelt in Deutschland

Meine Rede zum Nachlesen:

Gedenken an Krieg und Mahnung zu Frieden ist Bürgersache

Dr. Anna-Konstanze Schröder
Rede im Landtag Mecklenburg-Vorpommern am 25.4.2024

Krieg und der Wunsch nach Frieden ist ein aktuelles Thema. Schon seit Jahrzehnten entsendet auch die Bundesrepublik Deutschland Soldaten in Friedensmissionen, die dort verletzt und verwundet werden, manche sterben. Sie werden psychisch unglaublich stark belastet, was sich auch auf ihre Familien auswirkt, wenn sie zurückkehren. Heute nun hat der Bundestag den Veteranentag als offiziellen Gedenktag am 15. Juni beschlossen. An der Initiative war maßgeblich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern Johannes Arlt verantwortlich. Heute sieht man Soldatinnen und Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Sie erfüllen eine besondere Aufgabe für die Gesellschaft, indem Sie ihr Leben für unseren Staat einsetzen. Sie werden bürgerlich bestattet und an zentralen Ehrenmahlen geehrt. Es ist nun Aufgabe unserer Bürgergesellschaft, gemeinsam mit den über 10 Millionen Veteranen in der Bundesrepublik, den Veteranentag auszugestalten.

Hier und jetzt soll es um historische Kriegerdenkmäler gehen, insbesondere die des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Diese Kriege und die Nachkriegszeit sind bis heute Präsent im kulturellen Gedächtnis in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, Europa und der Welt: Ihre Folgen und Verluste sind Teil von so ziemlich jeder Familiengeschichte. Dazu gehören: Erfahrungen von Flucht und Vertreibung, Verlust von Familienangehörigen, Zwangsarbeit und Arbeitsdienst, seltener auch Widerstand gegen die Diktaturen; auch Feldpostbriefe und Ariernachweise kursieren noch. Manche Familienforscherin entdeckt die jüdischen Wurzeln, die die Altvorderen nach dem Krieg aus tiefsitzender Angst heraus verschwiegen und nicht mehr gepflegt haben. Andere leben in Häusern, die jüdischen Einwohnern gehört haben, die flohen oder deportiert wurden. Manche werden erst durch einen Stolperstein daran gemahnt, dass in ihrem Haus ein Opfer von Gewaltherrschaft gelebt hat. 

Viele Orte in Mecklenburg-Vorpommern ereilte der Krieg erst, als der Weltkrieg schon längst vorbei war. Ein besonderes Beispiel ist Demmin in meinem Wahlkreis. Lange konnte man hier, wo früher die DDR war, nicht darüber sprechen. Hier bedeutete die Befreiung aus der Nationalsozialistischen Diktatur, dass die Herrschaft einer gewalttätigen Besatzungsarmee begann, gefolgt von der SED-Diktatur mit ihren Blockflötenparteien. Hier haben so viele Menschen unrecht vonseiten des Staates erfahren. Und selbst noch nach der Friedlichen Revolution, als das zwischenzeitlich an die Leute verteilte Bodenreformland wieder neu verteilt wurde, hatte das finanzielle Konsequenzen für die Häuslebauer aus der DDR. Sie mussten nun vielerorts ihre Grundstücke kaufen und sich auf Jahre verschulden. Als würde die Nachkriegszeit einfach kein Ende nehmen.

Oftmals wurde über Krieg und Vertreibung nicht offiziell gesprochen. In der DDR wollte man einen Schlussstrich unter die Kriegsverherrlichung des Nationalsozialismus setzen. Viele Kriegerdenkmäler für den ersten Weltkrieg wurden zerstört und abgeräumt, manche als Mahnmal für die Opfer des Faschismus umgewidmet. Über die Gräueltaten der sowjetischen Besatzungsarmee durfte nicht öffentlich gesprochen werden. Die Erinnerung an die Opfer des NKWD-Terrors, der in der Sowjetischen Besatzungszone herrschte, wird erst langsam aus den Archiven und den verstaubten Ecken der Heimatstuben ans Tageslicht geholt. Opfern der SED-Diktatur wird gedacht – die Zeitzeugen leben noch und können berichten. 

Da wo man meint, einfach einen Schluss-Strich unter die Geschichte ziehen zu können, suchen sich die alten miesen Ideologien wieder ihren Weg. Zum Beispiel blitzt das auf bei den Leuten, die als Kinder mit ihren Familien aus ehemaligen deutschen Regionen geflüchtet sind und bis heute von so manchen Alteingesessenen das Gefühl bekommen, dass sie noch keine so richtigen Einwohner sind und ihre Kinder eigentlich auch nicht. Das ist alte und neue Fremdenfeindlichkeit, wenn auch nicht gegenüber Menschen aus dem Ausland. So richtig redet man aber nicht drüber. 

Es gibt im Land meines Wissens nur einen offiziellen Gedenkort für Flucht und Vertreibung, und zwar beim Wolhynier-Umsiedler-Museum in Linstow. In wenigen Museen wird Flucht und Vertreibung und Umsiedlung so ausführlich und mit Zeitzeugenberichten thematisiert wie im „Uns lütt Museum“ in Dargun oder im Bützower Heimatmuseum im Krummen Haus. Das sind Orte, wo drüber gesprochen wird. Das ist heilsam. Für die Leute, die fliehen und neu ankommen mussten, genauso wie für die Leute, die nun eher ungewollt mit vielen Fremden leben und sich an sie gewöhnen mussten. 

An vielen Orten gibt es keine Gesprächsmöglichkeiten und niemanden der an Krieg und seine Folgen vor Ort erinnert. Museen und Heimatstuben können solche Orte sein. So bin ich in der Heimatstube Gnoien auf ein Foto mit Gedenken an einen örtlichen Bauern gestoßen, der vom NKWD abgeholt und erschossen wurde. Dort wird dieser Person und weiteren gedacht. In Gülzowshof erinnert ein Gedenkstein an die engagierten Demokraten, die eine demokratische CDU in der DDR gründen wollten. Sie wurden als Spione abgeführt und ermordet.

Doch so manchen Gemeindevertretern und auch so manchem Bürgermeister fehlt der Sinn dafür, dass man hier auch in Personen und Räume investieren muss, die das Gespräch und den Austausch auch organisieren – und zwar fachgerecht. Die Partnerschaften für Demokratie ermöglichen das. In Demmin sind sie ein recht junger Segen, in Rostock konnte die CDU das zum Glück nicht verhindert. Im Fall der CDU kann man wohl sagen: Gott sei Dank. 

Gedenken an die dunklen Kapitel der Geschichte ist Teil der lokalen Erinnerungsaufgabe und Teil der Bürgergesellschaft in den jeweiligen Orten. Dafür haben zu allererst die Bürgerinnen und Bürger, die Einwohnerinnen und Einwohner vor Ort gemeinsam Verantwortung. Und sie nehmen sie auch redlich und vielfach wahr.

Sie merken, ich zäume das Pferd von hinten auf und das sehr bewusst. „Zeichen von Krieg und Frieden in der Kulturlandschaft“. hat der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland mit seinen Mitgliedsverbänden – darunter auch der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. – als Kulturdenkmal des Jahres ausgerufen. Bundesweit. Damit nimmt die demokratische Heimatbewegung in Deutschland das Jahresthema der Europäischen Landschaftsdekade (DALE) „landscapes of conflict and peace“ auf. Das wird vom Verband CIVILSCAPE auf Europäischer Ebene koordiniert. Partner ist der Volksbund Kriegsgräberfürsorge, der in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit dem Heimatverband das Kriegsdenkmal des Monats jeweils veröffentlicht.

Mit der Aktion „Zeichen von Krieg und Frieden in der Kulturlandschaft“ machen die Heimatverbände vor allem auf das Engagement der Leute vor Ort aufmerksam, die sich für solche Gedenkorte oder für immaterielles Gedenken wie den Volkstrauertag engagieren. Und sie fassen diese Zeichen von Krieg und Frieden ganz breit auf: nicht nur solche Kriegerdenkmäler aus der Zwischenkriegszeit, sondern eine ganz große Vielfalt: Varusschlacht, Napoleonische Kriege bzw. Befreiungskriege, 30jähriger Krieg, ehemalige Schlachtfelder, Grenzbefestigungen von Limes bis Grünes Band, Bunker, Kasernen, Appellplätze, Kriegsgefangenenlager, Konzentrationslager und Strecken von Todesmärschen, auch Flugplätze und viele mehr neben den bereits erwähnten. Dazu gehören auch Gedenkorte für Frieden, Mahnmale für die Opfer von Faschismus, Stalinismus und DDR-Diktatur, genauso wie die Gräber von Soldaten und Kriegsgefangenen auch aus Kriegen der vergangenen Jahrhunderte. Nicht zu vergessen, die Erinnerung an die Friedliche Revolution und Wiedervereinigung, ob nun der Gedenkort in Waren oder der Gedenkstein der Mecklenburgischen Landsmannschaft hier vor dem Landtagsgebäude.

Nicht zu vergessen ist das Gedenken an den Widerstand, hier möchte ich exemplarisch das Teehaus in Klein Trebbow, die Denkstätte Trebbow erwähnen, wo an die mutigen Offiziere erinnert wird, die das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 unternommen haben, es jährt sich in diesem Jahr zum 80sten Mal. Der frühere Gutsherr dort war daran beteiligt. Auch Preise wie der Stellingpreis der SPD-Landtagsfraktion erinnern an den Widerstand gegen die NS-Diktatur des Sozialdemokraten und Mitbegründers des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold Johannes Stelling. 

Und nun zurück zu den Kriegerdenkmälern. Kriegerdenkmäler der Weimarer Republik und auch der späten Kaiserzeit wurden von den Heimat- oder Kriegervereinen ihrer Zeit erbaut und gepflegt im Angedenken ihre Kameraden. Gedenken an Kriege ist Aufgabe der Bürgergesellschaft. Kriegerdenkmäler sind Teil der Erinnerungskultur des Ortes und der Region, sie sind öffentlich sichtbare Orts- und Personengeschichte. 

Eine Herausforderung der Namenslisten von Soldaten des zweiten Weltkriegs ist, dass nicht alle von ihnen einfache Soldaten waren, die Befehlen gefolgt sind. Darunter befanden sich auch viele Täter der nationalsozialistischen Diktatur, die sich bewusst für eine Mitgliedschaft in der SA oder der SS entschieden. Sie sollen erst recht nicht als gefallene Helden geehrt werden. 

Verschiedene Generationen müssen jeweils neu aushandeln und entscheiden, wie sie (sich) an Krieg und Frieden, Diktatur und Widerstand erinnern möchten. Das kann auch bedeuten, ein Denkmal umzusetzen, wieder aufzurichten, zu ändern, zu zerstören oder zerstört zu lassen, umzuversetzen oder neue Gedenkorte zu errichten. Es kann auch bedeuten, dass die Tafeln der gefallenen Gemeindeglieder in den Kirchen abgenommen und auf der Orgelempore eingelagert werden. Oder dass sie neu entstehen. 

Darüber müssen die Bürgerinnen und Bürger in ihren Orten miteinander entscheiden.

Kriegerdenkmäler in den Zustand der späteren 1920er Jahre zu versetzen, würde bedeuten, die kriegstreiberische Heldenverehrung von Soldaten wieder hochleben zu lassen, wie sie von den Nationalsozialisten befördert wurde. Die Überreste des Ulanen-Denkmals in Demmin bezeugt diese Interpretation des Kriegergedenkens. 

An vielen Orten in Mecklenburg-Vorpommern haben Bürgerinnen und Bürger bereits eigene Lösungen für ihr Kriegergedenken gefunden und besprochen und bleiben darüber im Gespräch. Es braucht Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die sich damit auseinandersetzen. Ein staatliches Förderprogramm ist unnötig.