Heute hat der Landtag das Landesjagdgesetz beschlossen. Unsere Versprechen des Koalitionsvertrags haben wir gehalten: Jagdkataster kostenfrei, Veringerung der Bleimunition, Wildwirkungsmonitoring in allen Wäldern in MV. Darüber hinaus kommt der Wolf ins Jagdrecht und weitere Änderungen. Mehr in meiner Rede.

Bitte klicken Sie auf den Link, um dieses Video von YouTube anzuzeigen. Mit Klick auf diesen Link werden Daten an YouTube übertragen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Die ungekürzte Rede:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

die Jagdgesetznovelle ist im Endspurt, heute wird sie beschlossen. Die Landesregierung hat vorgelegt, die Argumente sind nun auch in den parlamentarischen Gremien ausgetauscht. Das Verfahren wurde von Jägern und Wahlbesitzern, Landesforst und Tierschützern und vielen mehr laut und leise begleitet. Ein Kompromissvorschlag wurde in Absprache mit verschiedenen Akteuren erarbeitet und im Agrarausschuss beschlossen. Er liegt nun vor. Die Ausschussvorsitzende Dr. Rahm-Präger hat ihn vorgetragen.

Kompromiss ist kein Konsens – Kompromiss finden nicht alle gut. Damit kann man leben. Ich würde zum endverhandelten Ergebnis sagen – und das sehen viele der Beteiligten sicher ähnlich: Hätte schlimmer kommen können.

Die Forderungen im Koalitionsvertrag wurden umgesetzt: Die Daten für das Jagdkataster der Jagdgenossenschaften werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Minimierung von Blei in der Munition wurde festgelegt. Das Wildwirkungsmonitoring wird auf alle Wälder ausgeweitet. Versprochen – gehalten.

Darüber hinaus steckt in der Novelle noch viel mehr: Es erlaubt Totschlagfallen nur noch im Ausnahmefall - für den Tierschutz -, Regelungen zu Reviergrößen werden vereinfacht - für die Entbürokratisierung -, die Mindestpachtzeit an die Bundesgesetzgebung angepasst - für die Förderung der Jungjäger und -jägerinnen.

Ein Paukenschlag ist sicherlich, dass nun auch in Mecklenburg-Vorpommern der Wolf in die Liste der bejagbaren Tiere aufgenommen wird. Er bleibt weiterhin streng geschützt. Eine Lösung zum Erlegen von solchen Wölfen, die Nutztiere jagen, ist derzeit auf Bundesebene in Arbeit, wurde beschlossen, wie wir gerade gehört haben. Übrigens hat das bereits die Staatssekretärin Müller von den Grünen aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf der Versammlung der Berufsjäger in Linstow im letzten Jahr angekündigt. Unser Landwirtschaftsminister und ich guckten da nicht schlecht. Für uns Leute von den Dörfern ist das insofern auch eine Entlastung, weil nun hoffentlich endlich diese Formel ad absurdum geführt wird „Wer den Wolf schützen will, ist gegen die Menschen auf den Dörfern.“ Das verkürzt die wichtigen Themen zur Entwicklung der ländlichen Räume doch allzu leicht auf ein Wir gegen Die in Bezug auf die Haltung gegenüber dem Wolf.
Der Wolf hat inzwischen eine Populationsgröße erreicht, dass man neu über ihn nachdenken muss. Dass er die Rehpopulation bei Weiten nicht so reduziert, wie theoretisch erwartet und dass er auch für das Handwerk des waidgerechten Jägers, das Waidwerk, Auswirkungen hat, weil er das Verhalten des Wildes beeinflusst, muss dann noch an anderer Stelle weiter diskutiert werden.

Auf einige Kompromisse möchte ich kurz eingehen, denn ein Konsens scheint nur schwer möglich: Das Verbot von Bleigeschossen ist zunächst auf Gewässer und ihr Umfeld beschränkt. Angestrebt ist ein generelles Bleiverbot. Geschosse ohne Blei sind eine Herausforderung für die Ballistik. Vorhandene Waffen müssen auf neues Geschossmaterial umgestellt und „neu beschossen“ werden. Das ist aufwendig und teuer. Junge und verantwortungsvolle Jäger stellen ihre Munition bereits um. Hier müssen zukünftige Novellen jeweils weitere Schritte gehen, hier können die Jägerinnen und Jäger gern auch einer Gesetzgebung voraus sein.

Fallenjagd mit Lebendfallen ist aufwendig. Sie müssen mindestens einmal täglich, besser mehrmals kontrolliert werden. Das ist im Ehrenamt kaum zu leisten. Gerade in Vogelschutzgebieten ist sie notwendig zur Bejagung von Raubwild. Für Ausnahmefälle sind nun noch Totschlagfallen möglich. Für die Fallen sind Fördermittel aus der Jagdabgabe vorgesehen – nun neu explizit erwähnt. Versieht man Lebendfallen mit Sendern, die auslösen, wenn ein Tier in die Falle gegangen ist, ist der Aufwand geringer.

Besonders umstritten war der Mindestabschuss. Angesichts vielfach nicht erreichter Abschusspläne scheint nicht nur mir eine solche Regelung nicht notwendig. Angesichts stetig steigender Streckenzahlen, Wildunfällen und vielfach berichteter Verbissschäden scheint insbesondere den Verfechtern eines sich natürlich verjüngenden, selbstumbauenden Waldes eine solche Regelung unbedingt notwendig. Als Kompromiss sind Rot- und Damwild der Altersklassen 0 und 1 nun im Mindestabschuss, der 2031 von der Regierung evaluiert wird. Ausrotten wird man diese Wildarten so wohl nicht. Ob damit die Hege dieser Wildarten massiv gestört wird, werden wir in der Evaluation sehen. Wie es sich auf den Wald auswirkt? Das wird auch das Wildwirkungsmonitoring zeigen. Allerdings, Waldbau ist eine Generationenaufgabe, in 100 Jahren wissen wir mehr.
Klar ist, dass die bisherige Gesetzgebung eine scharfe Bejagung von Wild nicht verhindert hat. Klar ist auch, dass an vielen Orten in Mecklenburg-Vorpommern das Wild nicht scharf bejagt wird. Das Gesetz soll mit dem Wildwirkungsmonitoring auch im Privatwald der Landesregierung ermöglichen, mehr Druck auf solche Privatwaldbesitzer auszuüben, die hier den Wald verkommen lassen und ihn lediglich als Jagdmöglichkeit für Hirsche nutzen. Möge es nützen.

Wenn man sich mit Jägerinnen und Jägern aus dem sogenannten Waldbündnis und aus dem Landesjagdverband unterhält, weist das auf eine Menge Vorurteile hin. Den einen wird vorgeworfen, sie würden sich nur Trophäen züchten. Den anderen wird vorgeworfen, sie betrachten Wild als Schädlinge. Den einen wird vorgeworfen, sie würden unter dem Deckmantel des Dorfjägers letztlich die Hobbyreviere von Wessi-Pächtern fördern, die sich nicht kümmern. Den anderen wird vorgeworfen, sie würden das Wild ausrotten wollen, um aus ihren Fichtenmonokulturen möglichst viel Profit zu holen. Gegenseitig wirft man sich vor, man jage doch nur aus Lust am Rumballern und fördere insgeheim diese Trophäenzüchter in den Eigenjagdbezirken der Großgrundbesitzern.

Am Ende gelten für alle Jägerinnen und Jäger die Grundsätze der deutschen Waidgerechtigkeit und der Hege: Bundesjagdgesetzt §1, Absatz 2 ist völlig unstrittig: „Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. [...] Die Hege muß so durchgeführt werden, daß Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.

Im §1 Absatz 3 Bundesjagdgesetz liest man von der Waidgerechtigkeit. Sie umfasst alle geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze, die im Jagdhandwerk die die Tierschutz-, Umwelt- und mitmenschlicher Aspekt betreffen. Jedenfalls ist keineswegs alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Dazu gehört auch, dass dem Wild die Chance zur Flucht gegeben sein muss. Darum keine Drohnenjagd, darum keine Jagd mit fest installiertem Nachsichtgerät mit eigenen Absehen.

An diese Waidgerechtigkeit vor allem bei den Aspekten der Mitmenschlichkeit möchte ich hier appellieren. Denn ein Gesetz kann nur einen Rahmen bieten. Es muss gelebt werden. Und Jagd funktioniert nur, wenn sich die Reviernachbarn gut miteinander verständigen.
Reden Sie miteinander, gehen sie aufeinander zu, finden sie Kompromisse, betonen Sie das Gemeinsame – das rufe ich den Bürgerinnen und Bürgern zu.
Nehmen Sie sich gegenseitig in die Pflicht – wenn es um mehr Abschuss oder auch mehr Pflege des Wildbestandes geht.

Denn alle scheinen sich einig zu sein: Wild lässt sich nicht zählen, anhand des Wildwirkungsmonitoring lassen sich Rückschlüsse auf die Wilddichte ziehen. Wildstapler und Wildfütterer verstoßen gegen die Waidgerechtigkeit. Jägerinnen und Jäger sind ganz überwiegend verantwortungsbewusste Leute. Sie investieren viel Zeit in ihr Ehrenamt. Bei der Bekämpfung der ASP waren sie zur Stelle. Das Jagdwesen mit der Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde organisiert sich die Jägerschaft gut selbst. Darum halte ich als Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement die Selbstorganisation der Jägerinnen und Jäger in Verbänden für unbedingt zu unterstützen. Dort sind die Orte, wo man miteinander ins Gespräch kommen kann.

Politik ist nicht nur logische Argumente für die Lösung eine Problems, wenn es unterschiedliche Interessen gibt. Und im Fall der Jagd auch so weit auseinandergehende Auffassungen über den Weg da hin. Zur Politik gehört auch, dass man sich für seine Standpunkte laut und leise einsetzt, dass man versucht, Entscheidungsträger zu überzeugen. Dass man in der Öffentlichkeit für Verständnis für seine Position wirbt.

Denn auch wenn die Formel Wolf = Ländlicher Raum bei Weitem nicht gilt, gilt die Formel: Dorf = Jagd. Fast alle agrarisch, forstlich und fischereiwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen werden bejagt. Dort ist die Jagd nötig. Das heißt auch, egal wo sie aufm Dorf Menschen begegnen – ein Jäger oder eine Jägerin ist bestimmt dabei. Darum: Fragen sie nach, erklären sie ihre Standpunkte, entwickeln sie miteinander Verständnis füreinander.

Ich komme zum Schluss. Ein wenig Heimatkunde aus meinem Wahlkreis. Im schönen kleinen Dorf Plötz lebte ein Zweig der Familie von Heyden. Unter ihnen Wilhelm von Heyden-Cadow. Sein Grab ist dort auf dem Friedhof. Er bekleidete viele politische Ämter. 1890 wurde er Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten unter Kaiser Wilhelm II. Mit dem geriet er 1894 in Konflikt: Denn er hat den Rotwildbestand in Kaisers Staatsforst in der Rominter Heide reduzieren wollen, damit da noch Wald wächst. Das brachte den ollen Kaiser auf die Palme. „Was gehen den Minister meine Hirsche an.“ soll er gesagt haben. Das führte zum Rücktritt von Wilhelm von Heyden. Heute wird vielleicht kein Landesbediensteter mehr entlassen, weil er in Jagdfragen nicht ganz auf Linie ist. Und heute wollen wir auch keinen Kaiser, keinen Großgrundbesitzer mehr, dem der Wald im Zweifel egal ist. Eigentum verpflichtet und Wald mit seiner Schutz- und Erholungsfunktion verpflichtet besonders. Das novellierte Jagdgesetz trägt dazu bei. Ein Kompromiss. Könnte schlechter sein. Schwierig wars. Ich werbe für Zustimmung.