Unterstützung für das Chronische Fatigue Syndrom bzw. das Chronische Erschöpfungssyndrom, auch eine mögliche Folge einer Covid-Erkrankung

Im Petitionsausschuss beraten wir Abgeordneten die Beschwerden und Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern, die an anderer Stelle kein Gehör finden.

In dieser Woche ging es unter anderem darum, die Forschung und vor allem auch die Bekanntheit für die Erkrankung ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom), die wenig bekannt ist, deswegen meist zu spät diagnostiziert wird und darum wiederum nur schlecht behandelbar ist. Das Leiden der Erkrankten ist massiv aber kaum sichtbar.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es neben den Uni-Kliniken bereits an der Reha-Klinik Heiligendamm und in Parchim Experten auf dem Gebiet. Um diese zu stärken hat der Petitionsausschuss das Anliegen dem Landtag und der Regierung zur weiteren Bearbeitung und Berücksichtigung in der Gesetzgebung und Finanzplanung überwiesen.

Mehr zur Arbeit des Petitionsausschusses finden Sie hier: Petitionsausschuss des Landtages MV

Mehr zur Erkrankung ME/CFS gibt es z.B. hier: Charité Fatigue Centrum

Tagung des Petitionsausschusses des Landtages MV am 2.3.2022
Sitzung des Petitionsausschusses am 3.3.2022, Landtag MV, im Gespräch mit Experten

Aus dem ausführlichen Bericht des Petitionsausschusses:

"Liegend, den Kopf mit einem Kissen gestützt, stellte sich die junge Frau
per Video dem Ausschuss vor. Sitzen sei wenig bis gar nicht möglich, so
die Petentin. Die Teilnahme an der Sitzung bedeute für sie eine
unglaubliche Anstrengung.

Die Petentin berichtete über den Verlauf ihrer Erkrankung. Ihr Leben – und das vieler anderer an ME/CFS Erkrankter – spiele sich seit mehreren Jahren auf wenigen Quadratmetern, oftmals in einem verdunkeltem Raum ab. Betroffen seien vor allem junge Menschen im Alter von 10 bis 19 und 30 bis 39 Jahren. Zum Leid der Betroffenen gehöre auch eine fehlende Anerkennung der Krankheit in unserer Gesellschaft, betonte die Petentin. Nur jeder vierte Hausarzt kenne diese Krankheit überhaupt. Das führe häufig zu Fehldiagnosen und, wie bei ihr, zu einer falschen Behandlung, die das Krankheitsbild weiter verschlimmert. Auch im sozialen Umfeld oder bei Arbeitgebern fehle das Verständnis für diese Erkrankung, die so nicht sichtbar sei. Die Petenten kämpfen daher mit der Kampagne „#MillionsMissing Deutschland“ für Anerkennung, eine bessere medizinische und soziale Versorgung und für mehr Forschung.

Um zu erörtern, ob und wie das Land hier unterstützen kann, lud der Petitionsausschuss zu seiner heutigen Sitzung Vertreter des Wirtschaftsministeriums, des Sozialministeriums und der Ärztekammer M-V, Dr. Jördis Frommhold von der auf Long Covid spezialisierten Reha-Klinik in Heiligendamm, die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz der Charité Berlin Prof. Carmen Scheibenbogen und die Initiatorinnen von #MillionsMissing ein. Für die Ärztekammer nahmen neben dem Präsidenten Prof. Dr. Crusius der Direktor sowie der Stellv. Direktor der Klinik für Neurologie der Unimedizin Rostock, Profes. Dres. Storch und Walter, sowie der Stellv. Direktor der Psychatrischen Kinderklinik der Unimedizin Rostock Prof. Dr. Buchmann teil. Die Sitzung wurde als Präsenz- und Videokonferenz durchgeführt.

Eingangs schilderten die ärztlichen Vertreter folgendes Krankheitsbild: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) ist eine schwere neuroimmulogische Erkrankung. Sie tritt meist, genau wie Long Covid, nach einer Infektion auf. ME/CFS ist nicht gleichzusetzen mit Long-Covid. Sie wird als mögliche Langzeitfolge einer Infektion mit dem Coronavirus diskutiert. Laut Schätzungen werden ca. 10 % der Long-Covid-Patienten an ME/CFS erkranken. Derzeit leiden in Deutschland 250.000 Menschen, davon 40.000 Kinder an ME/CFS.

Von allen Anzuhörenden wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass es vor allem darauf ankommt, die Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren und zu therapieren. Die Diagnose sei schwierig, mittlerweile gebe es aber eindeutige Diagnosekriterien. Prof. Carmen Scheibenbogen berichtete, dass an der Charité Berlin bereits medikamentöse Behandlungen entwickelt würden. Problematisch sei jedoch, dass es noch kein zugelassenes Medikament gebe. Das läge an fehlenden klinischen Studien, die bisher seitens der Pharma-Industrie abgelehnt worden seien. Das Wissenschaftsministerium wies darauf hin, dass es in M-V derzeit keine spezielle Förderung der Forschung zu ME/CFS gebe. Die Krankheit sei Bestandteil der studentischen und fachärztlichen Ausbildung.

Zur Frage der Abgeordneten, wie das Land unterstützen kann, unterbreiteten die Fachleute und Petentinnen verschiedene Vorschläge. In einem ersten Schritt sollte die Erkrankung bekannter gemacht werden, sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Gesellschaft. Hier seien Informationskampagnen und Weiterbildungen für Ärzte unerlässlich. Die Petentinnen forderten darüber hinaus eine Koordinierungsstelle für Eltern erkrankter Kinder. Zudem wurde eine stärkere Verzahnung der Unimedizin mit der Rehamedizin angeregt. Mecklenburg-Vorpommern habe mit der Reha-Klinik Heiligendamm gute Voraussetzungen für eine derartige Zusammenarbeit. Seitens der Ärztekammer wurde auf die bereits vorhandene Versorgungsstruktur im Land verwiesen, die ausgebaut werden sollte. Darüber hinaus könne auch die Digitalisierung hilfreich sein, bspw. die Nutzung der Telemedizin oder App-basierter Therapien. Als eine längerfristige und grundlegende Aufgabe wurde die Verbesserung der personellen Ausstattung gefordert. Hierzu gehöre auch, die Zahl der Medizinstudenten an den Universitäten des Landes zu erhöhen und dafür zu sorgen, die Abwanderung von Ärzten zu verhindern. Auch die Forschung müsse unterstützt werden.

Die Ausschussmitglieder bedankten sich ausdrücklich für die bewegenden und offenen Worte der Petentinnen. Die Ist-Beschreibung und Vorschläge machten deutlich, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Daher beschloss der Ausschuss im Ergebnis der konstruktiven Beratung, die Petition an die Landesregierung und an die Fraktionen des Landtags zu überweisen."

Quelle: https://www.landtag-mv.de/peti...